Software meets Maschine: Warum erfolgreiche Digitalisierung beide Welten verstehen muss
- Greta Sarapinaite

- vor 14 Minuten
- 3 Min. Lesezeit
Zwei Welten, eine Mission
Software-Teams und Engineering-Teams verfolgen dasselbe Ziel: Kundenprobleme lösen, echten Mehrwert schaffen, Produkte entwickeln, die Bestand haben.
Die Wege dorthin könnten unterschiedlicher nicht sein.
Software-Teams entwickeln digitale Produkte – Apps, Plattformen, Cloud-Services. Code lässt sich anpassen, Updates verteilen, Funktionen über Nacht ändern. Die Arbeit findet in einer Welt statt, in der vieles reversibel ist.
Produktentwickler arbeiten mit physischen Realitäten. Jede Entscheidung beeinflusst Materialwahl, Werkzeuge, Lieferketten, Sicherheit, Langlebigkeit und Kosten. Die Arbeit ist an physikalische Gesetze, Normen und reale Rahmenbedingungen gebunden.
Diese grundlegenden Unterschiede prägen alles: Entwicklungsgeschwindigkeit, Risikobetrachtung, Teststrategien, Teamstrukturen und Dokumentationsanforderungen.
Während Softwareteams in schnellen, flexiblen Zyklen arbeiten, verfolgen Engineering Teams noch häufig einen Ansatz, der auf Präzision, Struktur und strengen Rahmenbedingungen basiert. Diese Unterschiede zu verstehen, ist entscheidend für Unternehmen, die innovativ arbeiten wollen – besonders heute, wo Hardware und Software immer stärker zusammenwachsen.
IT entwickelt Erlebnisse. Engineering entwickelt Wirklichkeit.
Der wichtigste Unterschied liegt im Ergebnis.
IT Teams entwickeln digitale Produkte – Applikationen, Plattformen, Workflows, Benutzeroberflächen. Sie können Funktionen schnell anpassen, Updates veröffentlichen und Code jederzeit verändern.
Engineering Teams entwickeln physische Produkte. Jede Entscheidung beeinflusst Materialwahl, Produktion, Haltbarkeit, Sicherheit, Logistik und Kosten. Die Arbeit ist an physikalische Gesetze und reale Rahmenbedingungen gebunden.
Diese Unterschiede prägen den gesamten Entwicklungsprozess.
Geschwindigkeit versus Präzision: Zwei völlig unterschiedliche Entwicklungsrhythmen
Softwareentwicklung ist auf Geschwindigkeit ausgelegt. Agile Sprints, wöchentliche Releases und kontinuierliche Updates ermöglichen ständige Verbesserungen. Fehler können oft schnell nach dem Release korrigiert werden.
Engineering folgt einem anderen Rhythmus. Prototypen benötigen Zeit. Produktionsprozesse sind teuer. Eine Änderung an einem Bauteil erfordert möglicherweise neue Werkzeuge, Lieferanten oder Genehmigungen. Fehler können Millionen kosten oder ernsthafte Risiken verursachen.
Beispiel aus der Praxis: Ein Kunde wollte eine digitale Bedienoberfläche für seine Maschinen. Das Software-Team hatte nach 4 Wochen einen ersten Prototyp. Die Integration ins Steuerungssystem der Maschine dauerte weitere 6 Monate – allein wegen der notwendigen Sicherheitstests, EMV-Prüfungen und CE-Konformität.
Beide Geschwindigkeiten sind richtig – für ihre jeweilige Realität.
Risiko hat in beiden Welten eine andere Bedeutung
In IT Projekten äußert sich Risiko häufig in Bugs, Sicherheitslücken, Performanceproblemen oder schlechtem Nutzererlebnis. Diese Probleme können nach dem Release meist behoben werden.
Im Engineering sind Risiken deutlich kritischer. Ein fehlerhaftes Bauteil kann Produktionsstillstände, Schäden oder Sicherheitsrisiken verursachen. Prävention ist hier entscheidend, da Fehler nach Markteinführung extrem teuer oder gar nicht behebbare Folgen haben können.
Deshalb kann Software früh veröffentlicht und kontinuierlich verbessert werden, während physische Produkte bereits vor dem Start höchste Zuverlässigkeit vorweisen müssen.
Testen: Kontinuierlich versus umfassend
In der IT wird während des gesamten Entwicklungsprozesses getestet. Automatisierte Tests laufen täglich, Beta Versionen sind üblich und Funktionen können mit kleinen Nutzergruppen getestet und optimiert werden.
Engineering Tests finden hauptsächlich vor dem Launch statt. Produkte müssen Belastungstests, Umweltprüfungen, Lebenszyklusanalysen und regulatorische Prüfungen bestehen. Diese Prozesse sind zeitaufwendig, aber entscheidend für Sicherheit und Qualität.
Software testet nach dem Release weiter. Engineering testet intensiv davor.Beide Ansätze spiegeln die Anforderungen ihres Bereichs wider.
Teamstrukturen: Kollaborativ versus hochspezialisiert
IT Produktteams sind meist interdisziplinär organisiert. Entwickler, Designer, Tester, Product Owner und DevOps arbeiten eng zusammen. Rollen überlappen sich und Teams passen sich flexibel an.

Engineering Teams sind stärker spezialisiert. Mechanik, Elektronik, Fertigung, Konstruktion und Qualitätssicherung folgen strukturierten Abläufen, jede Disziplin bringt tiefes Expertenwissen ein.
Diese Unterschiede spiegeln die jeweilige Produktlogik wider – Software ist flexibel, Hardware erfordert Präzision.
Dokumentation: Dynamisch versus festgelegt
In der IT ist Dokumentation ein lebendiges Werkzeug. Sie wächst mit dem Produkt und wird laufend aktualisiert.
Im Engineering ist Dokumentation detailliert, formal und wird früh festgelegt. Änderungen beeinflussen Lieferketten, Produktionsprozesse und regulatorische Anforderungen.
IT setzt auf Anpassungsfähigkeit. Engineering auf Konsistenz und Kontrolle.
Was IT von Engineering lernen kann
Trotz ihrer Flexibilität kann die IT von der Ingenieurswelt profitieren:
Gründlichere Architekturplanung vor dem Start
Bessere und klarere Dokumentation
Höhere Qualität und Robustheit im Testing
Stärkere Abstimmung zwischen allen Teams vor größeren Releases
Etwas mehr Struktur führt langfristig zu weniger Problemen.

Was Engineering von IT lernen kann
Auch Engineering kann aus der Softwareentwicklung wertvolle Ansätze übernehmen:
Schnelleres und mutigeres Prototyping
Einbindung von Kundenfeedback während des gesamten Entwicklungsprozesses
Kürzere Entwicklungszyklen mit klaren Prioritäten
Höhere Bereitschaft, Umfang und Anforderungen bei Bedarf anzupassen
Mehr Agilität ermöglicht mehr Innovation.
Die Zukunft entsteht an der Schnittstelle zwischen IT und Engineering
Mit KI, IoT, Robotics und digitalen Zwillingen verschwimmen die Grenzen zwischen Software und Hardware immer weiter. Moderne Produkte bestehen fast nie mehr nur aus physischen oder nur aus digitalen Komponenten – sie sind integrierte Systeme.
Erfolgreiche Unternehmen kombinieren daher die Geschwindigkeit und Flexibilität der Softwareentwicklung mit der Präzision und Zuverlässigkeit des Engineerings.
Dort, wo beide Welten zusammentreffen, entsteht echte Innovation.
Fazit
Produktentwicklung in IT und Engineering folgt unterschiedlichen Prinzipien, weil beide in unterschiedlichen Realitäten arbeiten. IT ist schnell, anpassungsfähig und iterativ. Engineering ist präzise, strukturiert und auf Sicherheit und Langlebigkeit ausgelegt.
Beide Ansätze haben enorme Stärken. In Kombination entstehen Produkte, die zugleich innovativ und zuverlässig sind.

Kommentare